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Archimedes

ARCHIMEDES ist die erste Ballonsonde, die zur Erforschung der Marsatmosphäre eingesetzt wird. Im Jahr 2018 soll ARCHIMEDES an Bord einer Ariane 5 Rakete gestartet werden und mit dem AMSAT P5-A Satelliten die Reise zum Mars antreten. Von einer Umlaufbahn um den Mars aus wird ARCHIMEDES ein Deorbitmanöver durchführen und sich zu einem heliumgefüllten Ballon von ca. zehn Metern Durchmesser entfalten. Der Ballon wird bestückt mit Messinstrumenten in die Atmosphäre eintauchen und dabei erstmals Messungen der Mars-Ionosphäre ermöglichen. Während seines Absinkens zum Boden wird ARCHIMEDES ein vollständiges Atmosphärenprofil aufnehmen und mit seinen Messergebnissen unser Wissen um den Mars erweitern.

Doch auch für unser Wissen über die Erde selbst kann die Erforschung der Marsatmosphäre entscheidende Beiträge liefern. Denn viele Effekte, die auf der Erde durch andere Faktoren überlagert werden, können auf dem Mars oder genauer in seiner Atmosphäre ungestört beobachtet werden und uns dabei helfen, Wechselwirkungen zwischen Atmosphäre, Klima, Magnetfeld und Strahlung genauer zu verstehen. ARCHIMEDES wird außerdem als Technologieträger eine neue Möglichkeit zur Erforschung von Planeten mittels Ballonen aufzeigen und das Potenzial des hierbei entwickelten Konzepts vorführen.

Dieses ehrgeizige Projekt steht unter der Schirmherrschaft der Mars Society Deutschland e.V. in Kooperation mit namhaften Universitäten und Forschungsinstituten. Technisch federführend ist die Universität der Bundeswehr (UBW) in München. Unverzichtbar ist jedoch nicht zuletzt das ehrenamtliche Engagement der Mitglieder, die nicht zuletzt mit ihren Mitgliedesbeiträgen ARCHIMEDES erst möglich machen. Für die großzügige finanzielle Unterstützung durch unsere Sponsoren sind wir besonders dankbar. Zusammen mit der Transportsonde P5-A ist ARCHIMEDES damit das erste deutsche interplanetare Raumfahrtprojekt.

Das ARCHIMEDES Projekt ist weit mehr als nur eine kühne Vision: Bereits seit einigen Jahren laufen Tests der Hardware und die Entwicklung des Projekts schreitet mit großen Schritten voran. Zu den Highlights gehören hierbei Tests des Auswurfmechanismus ARM-1 in der Futuroscope im Rahmen der ESA Parabelflugkampagne 2005 sowie die Flugtests REGINA und MIRIAM im freien Weltraum. Mit dem MIRIAM-Test vom Oktober 2008 wurde ein kompletter Missionstest mit Wiedereintritt eines Testballons in die Erdatmosphäre durchgeführt.

Der nächste Flugtest ist für das Jahr 2014 geplant. Bei dem MIRIAM-2-Test wird die Versuchskapsel in bis zu 250 Kilometer Höhe gebracht. Danach fliegt sie einen sehr flachen Wiedereintrittswinkel, der damit eine längere Verweildauer im Weltraum garantiert. Damit steht mehr Zeit für Versuche und Experimente zur Verfügung. In dieser Flugphase legt MIRIAM-2 eine nicht unerhebliche Distanz zurück.

Die DLR unterstützt die Vorbereitung von MIRIAM 2 bereits jetzt mit hochpräziser Elektronik. Im Februar 2010 erhielt das Payload- und Avionik-Team einen hochpräzisen GPS-Empfänger für die MIRIAM 2-Kampagne. Das Gerät, das kaum mehr als Plastikkarten Größe hat, wurde beim DLR eigens für die Vermessung von Bahndaten von Höhenforschungsraketen entwickelt. Der Phönix genannte GPS-Receiver wird sich an Bord der MIRIAM-2-Kapsel befinden.

Phönix ist ein Navigationsinstrument, das die Position und Geschwindigkeit der Kapsel an die mit LEDs bestückten Anzeigetafeln der Bodenstation übermittelt.

Es ist eines von vier Experimenten, mit denen die Bahnkurve des Ballons mit dem Messgeräteträger (MIRIAM-B) beim Eintritt in die Erdatmosphäre bestimmt wird. Die genauen Bahndaten werden benötigt, um die Berechnungen und Simulationen, die während einer Dissertation an der Universität der Bundeswehr in München entstanden sind, mit realen Messdaten zu vergleichen und damit das zu Grunde liegende Modell zu überprüfen.

Nach den spürbaren Fortschritten, die das ARCHIMEDES Projekt in der letzten Zeit gemacht hat, möchten wir an dieser Stelle das Projekt einmal ausführlich vorstellen. Falls Sie noch weitere Informationen benötigen oder eventuell an einer Mitarbeit oder Förderung interessiert sind, können Sie jederzeit Kontakt mit unseren Projektverantwortlichen aufnehmen.

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Panorama von Nordschweden mit dem REGINA Modul bei einem Test von ARCHIMEDES im erdnahen Weltraum. Das Panorama wurde aus Einzelaufnahmen eines Kamerarings auf der REXUS 3 Rakete zusammengesetzt.

Planetare Forschungsballons

Forschungsballons sind auf der Erde zu einem wichtigen Instrument für viele Wissenschaftsbereiche geworden. Ein solches Instrument ist aber auch für die Erforschung fremder Planeten von größter Bedeutung. Während auf der Venus bereits im Rahmen der sowjetischen VEGA Missionen französische Überdruckballons zum Einsatz kamen, stellte sich die äußerst dünne Atmosphäre auf dem Mars bisher als unlösbares Hindernis dar.

Der Archimedes-Ballon wird bereits im Weltraum gefüllt. Die Ballons der VEGA Missionen wurden in eine kleine Eintrittskapsel gepackt und nach ausreichender Abbremsung am Fallschirm hängend aufgeblasen. Danach wurde das Aufblassystem zusammen mit den Fallschirmen abgesprengt und der Ballon konnte seine freie Fahrt in der Atmosphäre beginnen. Die VEGA-Ballons waren für einen Einsatz in rund 50 Kilometer Höhe vorgesehen. Dort sind Druck- und Temperaturverhältnisse ähnlich wie auf dem Erdboden, so dass die Ballons mit einer fast sieben Kilogramm schweren Gondel nur einen 3,5 Meter großen Heliumballon benötigten. Darüber hinaus konnte das Flugsystem seine Schwebehöhe beim Aufblasprozess stark unterschreiten, um dann nach erfolgtem Aufblasen auf seine vorgesehene Einsatzflughöhe zu steigen.

Wegen der großen wissenschaftlichen Bedeutung der Ballons wurde immer wieder versucht, diesen Prozess auch an die Bedingungen der Marsatmosphäre anzupassen. Ein ähnliches Experiment, wobei ein Versuchsträger an einem solaren Heißluftballon hängen sollte, war für die russische Mission Mars'96 vorgesehen gewesen. Die gesamte Nutzlast der Mission stürzte allerdings auf die Erde zurück, da die vierte Stufe der russischen Proton-Rakete versagte, nachdem zunächst alles nach einem wahren Bilderbuchstart ausgesehen hatte. Alle anderen Bemühungen dieser Art scheiterten bereits an der Entwicklung der nötigen Technik. Denn anders als die Venus, die eine überaus dichte Atmosphäre besitzt (Oberflächendruck etwa 90 Bar, Temperatur rund 450 Grad Celsius), hat der Mars eine sehr dünne Atmosphäre (Oberflächendruck etwa 7 mBar, Temperatur rund -70 bis +20 Grad Celsius, je nach Ort und Jahres- bzw. Tageszeit). Während also die VEGA Ballone mit einem Durchmesser von 3,5 Metern und einer recht robusten Ballonhaut schweben konnten, ist für den Mars ein High-Tech-Ballon mit mindestens zehn bis fünfzehn Metern Durchmesser nötig, um eine nennenswerte Nutzlast tragen zu können.

Doch weniger das Verhältnis von Ballongröße zu Nutzlast, sondern vielmehr die Problematik, den Ballon in die Atmosphäre einzubringen, ist der für die Durchführbarkeit entscheidende Faktor. Die dünne Marsatmosphäre verkürzt zum einen stark die Absinkdauer eines in der Atmosphäre aufzublasenden Ballonpakets und wirkt sich zum anderen auch negativ auf den Auftrieb eines Ballons aus. Um dennoch eine solche Ballonmission auf dem Mars durchführen zu können, müssen entweder Wege gefunden werden, die Geschwindigkeit des Eintrittskörpers soweit abzubremsen, dass der Ballon in der Atmosphäre genügend behutsam aufgeblasen werden kann, oder es müssen alternative Methoden entwickelt werden. Hierfür wurden drei prinzipiell denkbare Konzepte auf ihre Verwendbarkeit für ARCHIMEDES untersucht:

Instrumente und wissenschaftliche Zielsetzung

Die Mission ARCHIMEDES ist nach dem altgriechischen Naturwissenschaftler ARCHIMEDES von Syrakus benannt, der unter anderem das Schwimmprinzip entdeckte und die Gesetze der Hydro- und Aerostatik erkannt hat.

Bordinstrumente

Der ARCHIMEDES-Ballon wird über drei Instrumente an Bord der Gondel verfügen und vier unterschiedliche Experimente durchführen. Die drei Instrumente werden im Namen ARCHIMEDES zusammengefasst, der als Abkürzung steht für: Aerial Robot Carrying High Resolution Imaging, a Magnetometer Experiment and Direct Environment Sensors.

Entsprechend befinden sich im Instrumententräger eine hochauflösende Kamera für Aufnahmen aus einer schrägen Perspektive, ein Magnetometer zur Messung von räumlichen Änderungen im residualen Krustenmagnetfeld und zum Studium der Wechselwirkung des Planetenkörpers mit dem Magnetfeld des Sonnenwindes sowie ein Wettersensorenpaket bestehend aus einem Thermometer, einem Barometer (Druck) und einem Hygrometer (Luftfeuchtigkeit). Die atmosphärischen Umweltsensoren, genannt "AtmosB", werden vom Finnischen Meteorologischen Institut (FMI) in Helsinki bereit gestellt. Das Magnetometer wird vom Institut für Geophysik und Extraterrestrische Physik der TU Braunschweig kommen. Die Bordkamera schließlich wird vom DLR Berlin beigesteuert werden.

Weitere Experimente

Neben den eigentlichen Messungen durch die bereits genannten Instrumente wird noch ein weiteres Experiment in der Marsatmosphäre durchgeführt werden: Da der Ballon nicht gesteuert wird, lässt seine Flugbahn eine Aussage über die Druck-, Dichte- und Windverhältnisse in allen durchflogenen Höhen zu. Zu diesem Zweck kann die Position des Ballons durch „Radio Ranging“ vom Satelliten aus bestimmt werden. Eine weitere Möglichkeit hierzu bietet die Auswertung der Bildaufnahmen. Dadurch wird es möglich sein, zusätzlich zu Radio Ranging die Flugstrecke und Flughöhe des Ballons über der Oberfläche zu verfolgen.

Um auch Experimente im Weltraum und während des Eintritts zu ermöglichen, ist geplant, die Nasenkappe der Raumsonde, welche den primären Instrumententräger vor der Hyperschall-Strömung schützt, ebenfalls mit Mess-Systemen auszurüsten. Hier soll ein Instrumentenpaket namens COMPARE, gebaut vom Institut für Raumfahrtsysteme der TU Stuttgart, die Aufheizung im Hyperschall-Verdichtungsstoß sowie den Staudruck messen. Beschleunigungssensoren im Accelerometric Measurement System (AMS), gebaut vom Institut für Computertechnik und theoretische Informatik der Technischen Universität in Iasi, Rumänien, werden die Abbremsung von ARCHIMEDES in der hohen Atmosphäre mit großer Präzision messen und daraufhin Rückschlüsse über die Struktur der oberen Atmosphärenschichten ermöglichen.

Konstruktion

Archimedes wird voraussichtlich zusammen mit dem P5-A Satelliten der deutschen AMSAT an Bord einer Ariane 5 Rakete ins All gehievt. Aufgrund der Anforderung, die Mission mit dem vorhandenen Adapterring der Ariane 5 zu starten, verfügt der Entwurf über die äußeren Anschlussmaße der Gesamtmission von P3-D und orientiert sich an dem ursprünglichen Entwurf von Professor Meinzer für P5-A.

Interplanetare Reisegruppe: Archimedes und P5-A

Der Satellit ist tellerförmig, und trägt die Hochgewinn-Antenne (HGA) auf der einen Seite. In einem äußeren Ring sitzen die Drallräder und an jeder der sechs Seiten befindet sich ein Solarzellen-Paneel. Auf der Unterseite des Tellers befinden sich die Befestigungspunkte und das Interface zum JPS-Modul.

In der Mitte des Tellers wird eine zylindrische Aussparung Platz für die Nasenkappe von ARCHIMEDES bieten. Möglicherweise kann ARCHIMEDES in dieser Nasenkappe ein Quarz-Kristall-Fenster mitführen. Auf diese Weise könnte die Bordkamera schon während des Abflugs von der Erde, sowie später aus der Mars-Umlaufbahn und während des Atmosphäreneintritts erste Aufnahmen machen.

Das JPS-Modul besteht aus einem ebenfalls sechseckigen Kasten mit sechs Kammern. Die Treibstofftanks besetzten insgesamt vier Kammern (zwei Oxidator-Tanks, zwei Brennstoff-Tanks). In einer der beiden übrigen Kammern befindet sich der Helium-Drucktank für das Treibstoffsystem, und in der anderen der Helium-Tank für den ARCHIMEDES Ballon nebst Aufblassystem samt Rohrleitungen. Oxidator-Tanks und Brennstoff-Tanks sitzen sich jeweils gegenüber, um während der Mission eine geringere Verschiebung des Schwerpunktes während der Tankentleerung zu bewirken. Entsprechend sitzen sich auch die Gastanks für das Traggas und das Treibstoff-Drucksystem gegenüber.

Ausbringung des Ballons

ARCHIMEDES selbst sitzt hinter dem Triebwerk in der Schubstruktur des JPS-Moduls in einem sechseckigen Strukturkasten. Bei seiner Ausbringung wird ARCHIMEDES mit Hilfe eines Federmechanismus so weit nach vorne geschoben, dass das Ballon-Paket ohne Verpackung im freien Weltraum schwebt und frei entfaltet werden kann. Aufgeblasen wird über das Nordpol-Fitting (Der Anschaulichkeit halber werden Orte auf dem aufgeblasenen ARCHIMEDES Ballon wie bei einem Planeten bezeichnet. Ein Fitting ist ein mechanischer Ballon-Anschlusspunkt, also der Übergang von "harten" auf "weiche" Teile.). Am Südpol-Fitting ist der Instrumententräger und die Nasenkappe mit ihren Experimenten untergebracht. Die Nasenkappe schützt den Instrumententräger vor der Hyperschall-Strömung, da die Struktur des Instrumententrägers einen geringeren Radius als der große Ballon aufweist und deshalb heißer wird (die Aufheizung beim Wiedereintritt ist umgekehrt proportional zur Wurzel des angeströmten Radius). Diese Kanten würden ansonsten beim Eintritt verbrennen.

Datenübertragung

Wegen der enormen Skalierung des Ballons und des Ballongewichts mit der angehängten Gondelmasse muss auf eine ausgesprochen leichte Bauweise der Gondel geachtet werden. Diese Anforderung steht im krassen Widerspruch zu der Bedingung, gondelseitig und satellitenseitig auf Rundstrahlantennen vertrauen zu müssen, da weder der Ballon noch der Orbiter wissen, wann und wo der andere auftauchen wird, um eine Funkverbindung aufzubauen.

Um hier wenigstens einigermaßen brauchbare Datenraten zu erzeugen, wurde eine Frequenz von 145 MHz vorgeschlagen. Hier ist unter den vorhandenen Voraussetzungen die mögliche Datenübertragungsrate am größten. Die maximale Sendeleistung beträgt ca. 1-2 Watt, so dass mit geschickter Codierung bei maximaler Entfernung von ca. 25 000 Kilometern (Orbiter im Apozentrum) eine Datenrate von ca. 4 Kilobit pro Sekunde übertragen werden kann.

Energieversorgung

Für die Mission ARCHIMEDES ist der Einsatz von Primärbatterien vorgesehen. Diese können nicht wieder geladen werden, speichern aber mehr Energie pro Kilogramm und erfordern keinen Laderegler und Solarzellen nebst Struktur, was den Ballon entlastet und die Masse senkt. Um die Batterien der Gondel zu entlasten, wird in der Nasenkappe eine eigene Primärbatterie eingebaut. Dieses wird die Instrumente so lange mit Energie versorgen, bis die Nasenkappe abgetrennt wird, und die Batterien des Instrumententrägers zum Einsatz kommen. Dieses Szenario hat sich aus wissenschatlicher Sicht als optimal herausgestellt.

Ein zuvor diskutiertes Konzept sah den Einsatz von Solarzellen an einer Gondel vor, die mit den Messinstrumenten über ein Kevlarseil am Ballon befestigt sein sollte. Dies wäre bei einer Mehrtagesmission vorteilhaft – für das aktuelle Missionsszenario von ARCHIMEDES wurde hierauf jedoch zu Gunsten von Masseneinsparung und auf Grund der höheren Kurzzeiteffizienz von Batterien verzichtet. Wenn aber mit einem erfolgreichen Einsatz von ARCHIMEDES das Potenzial von planetaren Forschungsballonen erst einmal unter Beweis gestellt wird, sollten auch mehrtägige Folgemissionen möglich sein, für die Solarzellen nützlich sein könnten.

Technische Probleme von Mars-Ballons

Die Venus Ballons waren für einen Einsatz in rund 50 Kilometer Höhe vorgesehen. Dort sind Druck- und Temperaturverhältnisse ähnlich wie auf dem Erdboden, so dass die Ballons mit einer fast sieben Kilo schweren Gondel nur einen 3,5 Meter großen Heliumballon benötigten. Darüber hinaus konnte das Flugsystem seine Schwebehöhe beim Aufblasprozess stark unterschreiten, um dann nach erfolgtem Aufblasen auf seine vorgesehene Einsatzflughöhe zu steigen.

Untersuchungen des Jet Propulsion Laboratory der NASA (JPL) im Rahmen des Mars Aerobot Validation Program (MABVAP) zeigten recht eindrucksvoll, wie schwierig es ist, in der dünnen Mars Atmosphäre einen Überdruckballon an einem Fallschirm hängend aufzublasen, bevor das gesamte Flugsystem am Boden zerschellt. Auch die Mars Society Deutschland hat diese Methode ausgiebig studiert. Allerdings kam das Team noch während der Theoriephase zu der Erkenntnis, dass ein derart schwieriger und komplexer Prozess mit den vorhandenen Mitteln der Mars Society Deutschland nicht durchgeführt werden kann. Das Problem ist, dass aufgrund der dünnen Atmosphäre große Fallschirme benötigt werden, um eine für den Aufblasvorgang ausreichend verringerte Sinkgeschwindigkeit zu gewährleisten. Solche Fallschirme führen jedoch in der Wirbelschleppe der langen, flatternden Hülle eines riesigen Ballons zu einem nahezu chaotischen Verhalten des Gesamtsystems. Diese Erkenntnisse werden durch Videoaufnahmen von Stratosphären-Versuchen im Rahmen des MABVAP Programms bestätigt. Das chaotische Flattern beeinflusst nachhaltig die Flugbahn, welche jedoch so genau vorhersagbar sein muss, dass eine Kollision mit dem Boden ausgeschlossen werden kann – in der dünnen Marsatmosphäre, in der alle Prozesse in Sekundenbruchteilen ablaufen müssen, eine kaum zu gewährleistende Bedingung.

Daher wurde ein alternatives Konzept entwickelt, wonach der Ballon von einer gelandeten Plattform aus gestartet wird. Allerdings zeigten sich auch hier sehr schnell die technischen Grenzen. Wetterphänomene wie Wind und Windhosen (Dust Devils) in der Nähe des Marsbodens oder die jeweilige Bodenmorphologie könnten zur Zerstörung der großen und leichten Ballonhaut führen, die während des Aufblasens durch ihre Beweglichkeit gegenüber hartem felsigen Untergrund zum fragilen Schwachpunkt des Gesamtkonzepts würde. Hinzu kommen noch der Aufwand und das Risiko für eine Landung auf dem Mars – ein Konzept, das in seiner Komplexität an die Grenzen der technischen Realisierbarkeit stößt.

Das Archimedes Konzept

Als Konsequenz aus den Vorüberlegungen wurde noch ein weiteres Konzept für ARCHIMEDES entwickelt, die so genannte ISIC-Methode (In Space Inflation Concept). Neuartig ist dabei, dass der Ballon bereits weiter draußen im Weltraum beim Anflug auf den Planeten aufgeblasen wird. Auf diese Weise kann der Ballon selbst als großer Widerstandskörper genutzt werden und die überaus kritischen Manöver und Ereignisse innerhalb der Marsatmosphäre entfallen. Zudem kann das Raumfahrzeug sehr viel einfacher und weniger komplex gebaut werden und viele Komponenten, wie der Fallschirm, entfallen ganz. Damit wird aber auch die gesamte Flugbahn sehr viel unempfindlicher gegenüber den Anfangsbedingungen, die bei einer Amateurmission ohne die Deep Space Network (DSN) Bodenstationen der NASA oder der ESA auskommen müssen. Da der Ballon so groß und gleichzeitig so leicht ist, wird bereits in Atmosphärenschichten von sehr geringer Dichte eine vergleichsweise hohe Abbremsung bewirkt. Dieser Effekt ist sowohl technisch als auch wissenschaftlich sehr interessant: Zum einen heizt er sich auf diese Weise weniger auf, zum anderen kann die Atmosphäre auch in sehr viel größeren Höhen untersucht werden, als das bisher der Fall war.

Für die technische Umsetzung hat eine Besonderheit der Atmosphärenphysik große Bedeutung. Der Anteil der Wärme, die beim Eintritt auf das Raumfahrzeug übergeht, ist nämlich eine Funktion der Atmosphärendichte. In diesem Fall gereicht also die eigentlich für Ballone ungünstig dünne Atmosphäre des Mars zum Vorteil des Missionskonzepts. Darüber hinaus ermöglicht die wiederum durch den geringen Atmosphärendruck notwendig gemachte Größe des Ballons, dass die Wärmeeinwirkung beim Atmosphäreneintritt auf eine sehr viel größere Oberfläche verteilt wird. Eine wissenschaftlich besonders interessante Gelegenheit bietet sich dadurch, dass ARCHIMEDES erstmals mit Präzisions-Beschleunigungsmessern die Struktur der Hochatmosphäre des Mars oberhalb von etwa 140 Kilometern erforschen wird. Erst ab dieser Flughöhe können die Beschleunigungssensoren der kleineren und schwereren klassischen Eintrittskapseln die Abbremsung beim Eintritt zuverlässig erfassen. Über die bekannten aerodynamischen Eigenschaften eines Flugkörpers lassen sich so Rückschlüsse auf die durchflogene Atmosphäre ziehen. Somit wäre ARCHIMEDES bereits ein Teilerfolg, selbst wenn der Ballon beim Eintritt in die Marsatmosphäre verloren ginge.

Allerdings muss auch bemerkt werden, dass das Konzept vor allem deshalb Aussicht auf Erfolg hat, weil der Mars ein vergleichsweise leichter Planet ist. Die Eintrittsgeschwindigkeit liegt im gegenwärtig diskutierten Szenario bei etwa 4,5 Kilometern pro Sekunde. Bei einem vergleichbaren Anflug auf einen schwereren Planeten wie die Erde oder die Venus wäre die Geschwindigkeit gut doppelt so hoch, und die abzubauende kinetische Energie damit etwa viermal höher.

Unter Reinraumbedingungen wird der ARCHIMEDES-Ballon zusammengefaltet. Hierbei muss darauf geachtet werden, dass möglichst wenig Luft mit eingefaltet wird. Beim Start ins All würde sich die Luft explosionsartig ausdehnen. Bild: Mars Society Deutschland Untersuchungen zu diesem Konzept haben gezeigt, dass im Rahmen der angestrebten Missionsziele und des für unser Team realisierbaren technischen Aufwandes, eine mehrtägige Mission nicht mehr erreicht werden kann. Anstelle dessen wird der Ballon so ausgelegt werden, dass er zunächst zwischen zwei und neun mal durch die Atmosphäre hindurch fliegen wird, bevor er anschließend ein letztes Mal eintaucht, um innerhalb von weiteren sechzig Minuten zum Boden abzusinken. Aufgrund seiner geringen Sinkgeschwindigkeit wird er dort im Optimalfall sanft aufsetzen, und von Winden getrieben über die Oberfläche streifen. Die Vorteile auf der wissenschaftlichen Seite sind dabei vielfältig. Zum einen besteht die Möglichkeit, erstmals direkte Messungen über das gesamte Atmosphärenprofil von der Ionosphäre bis hinunter zum Boden vorzunehmen, sowie ein Profil der Atmosphärenströmungen in verschiedenen Höhenbereichen zu gewinnen. Zum anderen besteht aber durch die geringe Aufheizung auch die Möglichkeit, ein Kristallglasfenster in die Nasenkappe einzubauen. Damit hat die Kamera in der Gondel auch während des Transfers zwischen Erde und Mars an Bord von P5-A sowie während des Eintritts eine freie Sicht nach draußen und kann damit Bilder aus einer anders wohl kaum zu erlangenden Perspektive aufnehmen. Im Laufe der Untersuchungen zu einer Mars Ballon Mission wurde mit dem Projekt ARCHIMEDES also ein völlig neuartiger Typ von Raumsonde geschaffen. Dieser ist wissenschaftlich so interessant, dass bereits untersucht wurde, ob das Konzept nicht im Rahmen einer Venus-Mission eingesetzt werden könnte (ARCHIMEDES-V).